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Ein langer Hügel-Hatsch: Etappe 1 auf dem HRP von Hendaye – Lescune

Die erste Etappe des HRPs habe ich hinter mir. Gut 180km und 9.000hm bin ich in 6 Tagen von Hendaye nach Lescun gewandert. Zeit für einen Pausentag – und die letzten paar Tage Revue passieren zu lassen.

Road to nowhere: Hendaye – Lizuniaga 

25km

Bevor ich meine Wanderung starte, bade ich erstmal im Atlantik und gönne mir einen richtigen Kaffee im Strandcafe. Dort sitz ich erstmal fest, da ich wenig Lust habe, im Regen loszuwandern. Irgendwann hört es aber auf und ich kann zurück zu meiner Unterkunft und meinen Rucksack holen. Den werde ich in den nächsten Tagen noch ziemlich häufig verfluchen, so schwer ist er.

Die ersten kleinen Pyrenäenhügel erklimme ich mit viel Geschnaufe – anscheinend hab ich die letzten Wochen doch nicht genug trainiert. Kurz muss ich mich nochmal vor einem Regenschauer unter einem Baum verstecken. Ansonsten ist das Wetter eigentlich ziemlich perfekt zum wandern, nicht zu kalt und nicht zu warm. Nur den Ausblick kann ich noch nicht so genießen, dafür hängen noch zu viele Wolken am Himmel.

Gegen Abend erreiche ich ein Restaurant im spanischen Örtchen Lizuniaga. Zum Glück reicht mein Spanisch gerade so aus, um zu fragen, ob ich auf der Wiese neben dem Haus campen darf und einige Tapas bestellen kann. 

Destination unknow: Lizuniaga – Aldudes

37km

Die Wanderung ist heute eher ein langer Hatsch auf Forstwegen und wenig spektakulär. Die Hügel werden langsam etwas höher und ich hab eigentlich vor, auf dem höchsten Punkt auf knapp 900m zu übernachten. Vorher verlaufe ich mich aber ordentlich und muss mich durch Farn- und Dornbüsche schlagen und ungeplant eine kleine Kletterpassage überwinden. Als ich dann auf dem Gipfel ankomme, sind dort leider einige Pferde unterwegs. Ich entscheide mich daher dafür, weiterzuwandern und einen besseren Platz zu finden. 

Einen Platz, der mir gefällt und nicht in der Nähe von irgendwelchen Pferden oder Kühen ist, finde ich erst gegen halb elf knapp oberhalb von Aldudes. Die Wiese ist einigermaßen flach, ich muss aber erstmal einige Nacktschnecken entfernen. Ich packe schnell mein Zelt aus und koche nebenbei mein Abendessen. Couscous mit Nüssen, die irgendwie nicht mehr so gut schmecken. 

Like a Prayer: 3 Aldudes – Fountaine de Roland

32km

Meine Beine fühlen sich wie Blei an – kein Wunder, nach dem Gewaltmarsch am Vortag. Kaffee und ein bisschen Yoga helfen und ich mach mich auf den Weg. Es ist immer noch bewölkt und ich hab auch auf dem ersten Gipfel des Tages keinen Ausblick. Mein Frühstück schmeckt mit trotzdem. Gegen Mittag reißt es dann endlich auf und ich merke, dass ich in Spanien bzw. Südfrankreich bin. Meistens weiß ich nicht so genau, in welchem Land ich gerade bin, da der HRP an der Grenze zwischen den beiden Ländern verläuft. Ich weiß daher auch meistens nicht, wie ich die anderen Menschen grüßen soll. Hola oder Bonjour? Ich warte einfach ab, was die andere Person sagt und antworte entsprechend.

In der Mittagshitze schleppe ich mich auf den Lindus (1220m), da es oben aber kein bisschen Schatten gibt, kann ich die Aussicht nicht wirklich genießen. Ich steige daher schnell ab zum nächsten Pass, an dem auch Pilger auf dem Camino Frances vorbeikommen. Bisher habe ich wenige Wanderer getroffen, jetzt sind auf einmal Horden unterwegs. Ihr heutiges Ziel ist Roncevalles, ein kleiner Pilgerort in dem ich mir einen Kuchen und ein bisschen Facetime mit der Familie gönne. Im Keller einer Kneipe  sitze ich die Mittageshitze aus und lade meine Gerätschaften auf. 

Dann geht es für mich weiter. Unterwegs treffe ich Eliot, einen Franzosen, im Schatten Pause macht und mich erst mit einer anderen Person aus Deutschland verwechselt. Wir quatschen kurz, denn er wandert auch auf dem HRP. Kurz später holt er mich ein und wir laufen gemeinsam zu einer kleinen Hütte, an der ich eigentlich übernachten wollte. Doch die ist leider schon belegt – mit Pferden, von denen es hier unglaublich viele gibt (ich will gar nicht wissen, was mit ihnen passiert…). Wir beschließen daher, noch ein Stück weiterzulaufen. 

In der Nähe einer Quelle finden wir einen guten Übernachtungsplatz, an dem wir biwakieren. Die Nacht ist mild und es ist kein Regen angesagt, daher beschließe ich, heute mal auf das Zelt zu verzichten. Ein bisschen Angst hab ich nur vor den Schafen, die in der Nähe unterwegs sind und einigen Pferden, die ab und zu in einiger Entfernung entlanggaloppieren. Doch wir werden nicht zertrampelt, dafür sehe ich jedes Mal die Sterne, wenn ich aufwache (und schnell meine Brille aufsetze). Genau so hab ich mir mein Abenteuer in den Pyrenäen vorgestellt. Bin gleichzeitig aber auch ein bisschen froh, hier nicht ganz alleine zu sein. 

Heaven is a place on earth: Fontaine de Roland – Refuge Aterba

27km

Am nächsten Morgen sind wir zufällig gleichzeitig startklar und wandern noch ein Stück zusammen bis zu einer perfekten Badestelle. Dort hüpfe ich direkt rein – meine erste Dusche seit dem Bad im Atlantik. 

Beim Anstieg danach geht es mir leider nicht mehr so gut. Die Mittagshitze macht mir zu schaffen und dann geht auch noch mein Wasser zur Neige – meine absolute Horrorvorstellung. Mit letzten Kräften schleppe ich mich auf den Pass nach oben, der natürlich in der prallen Sonne liegt. In einiger Entfernung verbrennen Bauern Schafspelz – warum auch immer. Doch zum Glück kann ich mir dort ein wenig Wasser holen und mach mich an den Abstieg. Durch das Tal der verbrannten Schafspelze und Kuhfladen – so riecht es hier zumindest, kann aber auch sein, dass ich das bin – suche ich verzweifelt nach einem schattigen Plätzchen für eine Mittagspause und Wasser. Beides finde ich irgendwann, aber nur neben einigen Kuhfladen. Daher heißt es, Wasserfilter und Micropur-Tabletten in die Flasche und erstmal kurz entspannen.

Statt einem weiteren sehr steilen und unmarkierten Anstieg wähle ich einen kleinen Umweg und nehme den ausgeschilderten GR12. Ich wandere durch eine Schafherde auf einem kleinen Grad entlang und versuche, die Aussicht zu genießen. Aufkommender Wind und (vermutlich harmlose) Wolken lassen mich den Grad aber doch lieber schnell hinter mich bringen. 

Der restliche Weg ist entspannt. Auf einer Hochebene wandere ich plötzlich durch Nebel und fühle mich an den HRP vor 3 Jahren erinnert, als ich mir Marie zusammen unterwegs war und fast nur schlechtes Wetter hatte. Am Refuge Aterba warten dann 2 Überraschungen auf mich: heiße Duschen und Eliot, den ich abends mit anderen HRP-Wanderern wiedertreffe. Allerdings bin ich ziemlich platt und gehe früh schlafen.

Out of the woods: Refuge Atera – Refugio Belagua

32km

Schon am Abend vorher hatte ich beim Lesen der nächsten Etappe ein paar Bedenken. Der Großteil der Wanderung ist als unmarkiert und weglos beschrieben. Beides kenn ich zwar aus den Alpen, aber nicht in der Kombination. Die Wege die ich kenne, sind entweder unmarkiert oder weglos, aber selten beides. Noch dazu geht es auf einige Gipfel und Grate entlang. 

Ich entscheide mich daher für einen Umweg und wandere lieber auf dem GR12. Der verläuft quasi parallel zum HRP, ist aber komplett markiert, dafür aber einige Kilometer länger. Da ich ziemlich lang geschlafen habe, starte ich in der Mittagshitze und bin mehr als froh, dass der erste Anstieg zum Großteil im Wald verläuft. Am Pass oben angekommen, sehe ich endlich „richtige“ Berge. Dafür gibt es hier oben auch keinerlei Schatten mehr und ich schleppe mich durch die Nachmittagshitze. Dafür werde ich mit immer spektakuläreren Ausblicken verwöhnt, denn so langsam komme ich in die „High Pyrenees“. 

Auch die Wege werden immer alpiner und spannender. Über einige Gipfel und Pässe geht es auf und ab. Ich gönne mir immer mal wieder eine kurze Pause, da ich es aber noch zum bewirtschafteten Refugio Belagua zum Abendessen schaffen möchte, beeile ich mich. Kurz überlege ich, ob ich nicht auf dem letzten Pass übernachte, den ich gerade überschritten habe. Doch leider neigen sich meine Wasservorräte dem Ende und ich beschließe, doch weiter zur Hütte abzusteigen. 

Mittlerweile geht der Mond auf und ich kann mein Glück nicht fassen, in so toller Natur unterwegs zu sein. Um kurz nach 10 komme ich dann endlich an der Hütte an. Dort wird gerade schon gespült, mit meinem Babyspanisch frage ich, ob es noch was zu Essen gibt. Und ich habe Glück und bekomme noch eine Riesenportion Suppe und Gulasch. Das nette Hüttenpersonal organisiert mir sogar noch einen Schlafplatz im Büro der Hütte, da die Biwakplätze schon mit einer Gruppe Jugendlicher belegt ist. Ich glaub ich war noch nie so froh, an einer Hütten angekommen zu sein. 

Keep yourself alive: Refugio Belagua – Camping du Lauzart in Lescun

27km

Da für heute ein Gewitter angesagt ist, mache ich mich früh auf den Weg und verlaufe mich erstmal. Um kein Risiko einzugehen, entscheide ich mich auch heute für einen Umweg und die im Guide beschriebene „Schlechtwetter-Alternative“. Was bedeutet, erstmal 9km an einer Landstraße entlangzulaufen. Nach einem Kaffee mache ich daher mein Hörbuch an (read me.tx von Chelsea Meaning – sehr interessant) und trotte los. 

Nach dem Straßenmarsch folge ich dem GR10, der erstmal durch ein hässliches Skigebiet führt, aber schon bald eine beeindruckende Wanderung wird. Durch eine Karstlandschaft geht es über 2 Pässe, die auch ein wenig kraxeln erfordern und meiner Meinung nach nicht wirklich für schlechtes Wetter geeignet sind. Leider kann ich die Ausblicke auch heute nicht genießen, da ab 17:00 Uhr ein Gewitter angesagt ist und ich bis dahin möglichst weit unten sein möchte. Ein paar kleine Pausen müssen trotzdem sein. Dafür ist die Landschaft, die auch als Dolomiten der Pyrenäen bekannt ist, einfach zu eindrucksvoll. 

Beim Abstieg verfluche ich mich ein bisschen, warum ich mich für die lange Version entschieden habe und wann ich endlich am Refugio ankomme, an dem ich eine Pause einlege und hoffentlich ein sprudliges Getränk bekomme. Das Wasser aus meiner Trinkblase schmeckt mittlerweile alles andere als lecker. Ich nehme mir zudem vor, ab jetzt die Wanderung und vor allem die Natur mehr zu genießen und weniger lange Tagesmärsche zu planen. 

Wie es das Schicksal so will, kann ich meine Vorsätze schon kurz später in die Tat umsetzen. Auf einem Parkplatz bietet mir eine Familie ein Stück Melone an und bietet mir an, mich mit auf den Campingplatz zu nehmen. Erst lehne ich ab (der Stolz einer Weitwandererin?), nach 1 Minute nehme ich das Angebot allerdings doch an. Bei der kurzen Autofahrt von 10 Minuten (die aber nochmal 1 Stunde Fußmarsch bedeutet hätten) erfahre ich, dass die beiden vor 25 Jahren auf dem GR10 unterwegs waren und jetzt wieder zurückgekommen sind. 

Am Campingplatz gönne ich mir dann ein leckeres 3-Gänge Abendmenü und gehe früh ins Bett. Das Gewitter zieht abends über uns hinweg, davon bekomme ich aber nicht mehr viel mit und schlummere in meinem Zelt.

Cause I’ll tell you everything about being free: Mein Fazit: zur Etappe 1 HRP

Unterwegs hab ich ziemlich häufig an mir gezweifelt und damit gerungen, ob die Wanderung wirklich das richtige für mich ist. Vor allem die Sonne und der riesige Rucksack haben mir zugesetzt. Doch bin ich rückblickend ziemlich stolz auf mich, die Strecke in so kurzer Zeit geschafft zu haben. Für die nächsten Etappen (ich halte mir weiterhin offen, wie lang ich wandern werde) habe ich mir aber vorgenommen, es etwas entspannter angehen zu lassen und nicht mehr ganz so viel lange Tage zu machen. Sondern lieber auch mal ein paar Stunden die Aussicht zu genießen, zu malen oder zu lesen. 

Nach den ersten Tagen und Hügeln, die ich hinter mit gelassen habe, bin ich jetzt in den High Pyrenees angekommen. Ich freue mich auf die nächste Etappe, auch wenn diese technisch deutlich anspruchsvoller wird. Auch auf das biwakieren in der Höhen bin ich gespannt – das Wetter sieht bisher aber sehr gut aus für die nächsten Tage. 

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